Private Krise – Der Fall Herr Bernhard
Herr Bernhard ist ein langjähriger Mitarbeiter im Unternehmen, war quasi nie krank bis vor etwa einem Jahr. Da war er plötzlich öfters krank, baute Fehlstunden auf und sein Jahresurlaub war auch schon im März aufgebraucht. Im BEM-Gespräch klärt sich, dass seine Frau Krebs im Endstadium hat, sie aber Hilfen ablehnt. Er muss sich zudem um ihre beiden minderjährigen Kinder kümmern und es gilt auch noch die Raten für die Hypothek auf ihrem Haus aufzubringen. Die Situation überfordert Herrn Bernhard. Weil er eine Lese-Rechtschreibschwäche hat, fällt es ihm sehr schwer Hilfen zu organisieren.
Immer wieder begegnen mir in Betriebsvereinbarungen und auch sonstigen Aussagen, dass es im BEM nur um betriebliche Faktoren geht. Aus dieser Perspektive wäre es das BEM für Herrn Bernhard schnell zu Ende, weil er schon betriebliche Hilfen für seine Lese-Rechtschreibschwäche hatte. Auch die Gewährung einer Pflegezeit hätte er sich aus finanziellen Gründen nicht leisten können. Zum Glück hatte er einen guten Arbeitgeber und eine kompetente BEM-Beraterin!
Konkrete Hilfsmaßnahmen im BEM-Prozess
Er wurde auf eine Stelle versetzt, auf der er zeitlich flexibel arbeiten konnte. Zudem wurde er bei der Beantragung eines Pflegegrades für seine Frau unterstützt, ein Kontakt zur Krebsberatung und familienunterstützenden Diensten hergestellt, Unterstützung bei der Beantragung von verschiedenen finanziellen Hilfen gegeben und der Beschaffung von Hilfsmitteln usw.
Nachdem seine Frau verstorben ist, half die BEM-Beraterin bei der Beantragung von Witwer- sowie Waisengeld und hat den Kontakt zu einer Trauerberatung hergestellt.
Inzwischen hat Herr Bernhard die Trauerphase einigermaßen überstanden, ist ein sehr engagierter Mitarbeiter und in seiner Freizeit der beste Rekruter für neue Kollegen. BEM lohnt sich – wenn es denn richtig gemacht wird!
Rechtliche Grundlage: Privatleben im BEM
Mehrfach wurde auch gerichtlich bestätigt, dass auch die private Lebensführung Gegenstand des BEM sein kann. Quellen sind beispielsweise:
- BAG, Urteil vom 22.3.2016 – 2 AZR 182/15
- LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.12.2014 – 4 Sa 373/14
- AG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 06.02.2013 – 6 TaBV 43/12
- BSG, Urteil vom 10.12.2019 – B 1 KR 13/19 R
Netzwerk BEM: Austausch mit Experten
Viele Beratende sind „Einzelkämpfer“ oder kennen nur die Situation in ihrer Organisation. Aber es ist sehr unterstützend und inspirierend sich mit anderen BEM-Beratenden aus völlig anderen Organisationen auszutauschen. Im Netzwerk BEM treffen sich BEM-Beratende aus ganz unterschiedlichen Organisationen aus allen Ecken dieses Landes, um ihre Fragen und Themen mit anderen ExpertInnen zu besprechen.
Das nächste Treffen wird am 10. Dezember 2025 von 10:00 bis 11:30 sein. Ich würde mich sehr freuen, auch Sie an dem Tag begrüßen zu dürfen! Wenn auch Sie Interesse an einem gewinnbringenden Austausch haben, melden Sie sich bei mir – noch sind Plätze frei.



