So vermeiden Sie die zehn gravierendsten Fehler im BEM

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in der Praxis

Verfasst von Dr. Frank Stöpel

Dipl.-Pädagoge, Schwerpunkt berufliche Rehabilitation, Herausgeber des Newsletters BEM-Aktuell, Fachautor, BEM Seminarleiter & Coach

Zu Beginn dieses Jahres hat sich die gesetzliche Grundlage vom betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) vom § 84 Abs. 2 nach § 167 Abs. 2 im SGB IX verschoben. BEM ist eine Erfolgsgeschichte – wenn es denn richtig umgesetzt wird. Leider gibt es bei der Umsetzung oft erhebliche Probleme.

Dies führt meist nicht nur zu einem juristisch zweifelhaften BEM, sondern erschwert auch einen erfolgreichen Verlauf. Daher werden in diesem Artikel die zehn gravierendsten Fehler im BEM vorgestellt und gezeigt, wie es besser geht.

1. Falsche Einladung

Viele Fehler erfolgen schon bei der Einladung: zu spät, nur bestimmte Mitarbeiter oder als Vorladung formuliert. Dabei ist die Rechtslage eindeutig: Alle Mitarbeiter, die sechs Wochen am Stück oder in der Summe arbeitsunfähig waren, müssen zum BEM eingeladen werden. Es spielt dabei keine Rolle, was die Ursache ist, ob sich schon Lösungsansätze zeigen, der Mitarbeiter noch krank oder schon wieder arbeitsfähig ist. Wenn sich der Mitarbeiter auf die Einladung nicht meldet, muss mindestens zweimal nachgefasst werden. Dabei sind verschiedene Kommunikationswege (Post, E-Mail, Telefon) zu versuchen. Lehnen mehr als 50 Prozent der angeschriebenen Mitarbeiter das BEM ab, sollte nach Gründen dafür gesucht werden.

2. Datenschutz nicht beachtet

Die im BEM erfassten Daten sind Gesundheitsdaten. Sie unterliegen einer besonderen Sorgfaltspflicht. Auch wenn es in Zeiten von Amazon, Facebook und Google altmodisch anmutet, gilt auch im BEM das Prinzip der Datensparsamkeit, d.h., es werden nur die Daten erfasst, die wirklich benötigt werden. Die Aufbewahrungszeit der Daten muss geregelt sein. Diese ist oft in den Betriebsvereinbarungen auf drei Jahre begrenzt. Da z.B. für Krebserkrankungen gilt, dass ein Patient als geheilt gilt, wenn innerhalb von fünf Jahren kein Rückfall auftritt, sollte die Aufbewahrung jedoch länger erfolgen. Ein weiterer Aspekt ist die Zweckbindung: Die Daten dürfen nur für das BEM, also nicht für andere Zwecke (Personaleinsatz etc.), genutzt werden, ohne dass der BEM-Nehmer der Zweckumwidmung zugestimmt hat. Das BEM-Team sollte sehr gewissenhaft mit dem Datenschutz umgehen. Kommt das Gerücht auf, dass damit „flexibel“ umgegangen wird, wird das BEM nicht mehr akzeptiert werden. Zudem kann ein Verstoß gegen den Datenschutz zu erheblichen Strafen führen.

3. BEM-Nehmer blockiert

Es ist nicht zielführend, wenn der BEM-Nehmer „gebemt“ wird und nur passiv am Prozess beteiligt ist. Je aktiver dieser sich einbringt, desto effizienter kann der Prozess verlaufen. Daher sollte der Mitarbeiter von Anfang an in eine aktive Rolle gebracht werden. Vorbehalte und Widerstände gegenüber dem BEM sollte der Berater akzeptierend aufnehmen. Es geht nicht darum, den BEM-Nehmer „zu knacken“, sondern einen Rahmen zu schaffen, wo er sich öffnen und einbringen kann.

4. Monokausale Fixierung auf Krankheit

Wenn der BEM-Nehmer sagt „Ich habe eine Radikulopathie“, kann der BEM-Berater damit nichts anfangen. Selbst wenn er eine medizinische Vorbildung hat und er die Erkrankung als „Rückenschmerzen“ einsortieren kann, hilft das im BEM-Prozess nicht weiter. Die richtige Frage an dieser Stelle lautet vielmehr: „Was bedeutet die Diagnose für die Erledigung ihrer Aufgaben?“ Jeder Arbeitsplatz stellt Anforderungen an den Mitarbeiter, die zu seinen Möglichkeiten passen sollten. Diese Passung ist die zentrale Problemstellung im BEM. Krankheiten und Einschränkungen sind in der Regel nicht nur auf eine Ursache zurückzuführen, sondern auf ein Gefüge sich wechselseitig beeinflussender Faktoren. Daher gilt es, im BEM eine weite Betrachtung vorzunehmen und neben der durch die Krankheit bedingten Einschränkungen auch weitere Belastungsfaktoren bei der Arbeit und im Privatleben zu erfassen.

5. Lösungen zu schnell suchen

„Rückenschmerzen. Sie bekommen einen Pflegelift!“ Gerade Rückenschmerzen sind oft nicht nur auf biophysikalische Belastungsfaktoren zurückzuführen. Erst eine gründliche Situationserfassung ermöglicht, passende Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Weil der BEM-Nehmer Experte seines Lebens und seines Arbeitsplatzes ist, ist erst er nach Ideen zu befragen. So wird auch eine höhere Zielbindung für deren Umsetzung bewirkt. Die Lösungen im BEM liegen oft nicht bei technischen oder sozialrechtlichen Hilfen. Meist sind Maßnahmen zur Arbeitsorganisation und Umfeldgestaltung viel zielführender.

6. Fehlende Zusammenarbeit mit Partnern

Bereits im § 167 Abs. 2 SGB IX werden interne Partner genannt. Nicht immer wird z.B. die Arbeitssicherheit in den Prozess einbezogen. Diese kann Arbeitsplätze bezüglich potenzieller Gefährdungen beurteilen. Da bei vielen psychischen und körperlichen Erkrankungen die Stressbelastung eine Rolle spielt, sollte eine Gefährdungsbeurteilung mit dem Schwerpunkt psychische Arbeitsbelastung Bestandteil bei komplexeren BEM-Fällen sein.

7. Vorgesetzter wird nicht eingebunden

Ein wichtiger Partner ist der Vorgesetzte des BEM-Nehmers, der manchmal auch Teil des Problems ist. Er kann wichtige Informationen zu der Situationserfassung geben und muss bei Veränderungen einbezogen werden.

8. Privatleben wird ausgeklammert

Ein entscheidender Faktor für die Arbeitsfähigkeit und die Gesundheit ist das Privatleben. Nicht nur wegen einer richterlichen Entscheidung (>> LAG Hessen, Urteil vom 3. Juni 2013, Az.: 21 Sa 1456/12) sollte dieses auch im BEM einbezogen werden, sondern weil gerade bei schwierigeren Situationen eine Beschränkung auf betriebliche Aspekte keine Lösung ermöglicht. Bei Lösungsansätzen im privaten Bereich können externe Beratungsdienste gute Unterstützung bieten.

9. Kontext wird nicht berücksichtigt

Die Lösungen im BEM sind immer im Zusammenhang eingebettet. Für den BEM-Nehmer ist dies sein Lebenskontext, wo er sich fragt, ob diese Lösung zu seinem Selbstbild, seinen Bedürfnissen und zu seinen Erwartungen passt. Um zu verhindern, dass sich in der Belegschaft der Glaubenssatz durchsetzt, dass Veränderungen der Arbeitssituation nur mit Hilfe eines BEM möglich sind, sollte mit Informationen über Möglichkeiten und Grenzen des BEM, eine adäquate Führungskultur und ein funktionierendes betriebliches Gesundheitsmanagement gegengesteuert werden.

10. BEM ohne Management

Management bedeutet, dass Lösungen nicht nur entwickelt, sondern auch eingeführt und deren Wirksamkeit im Hinblick auf die Zielerreichung überprüft werden. Für die Praxis heißt das, dass z.B. der Pflegelift nicht nur hingestellt wird, sondern eingeführt und mit dem BEM-Nehmer erarbeitet wird.
Die Erfolge sollten nach einer gewissen Zeit geprüft und ggf. weitere Maßnahmen entwickelt werden. Die stufenweise Wiedereingliederung wird auf Grundlage einer ärztlichen Verordnung durchgeführt, ohne dass zwischendurch mit dem Mitarbeiter gesprochen wird, um diese bezüglich der Zeiten oder der Aufgabe anzupassen. Nur durch Feedbackschleifen im Prozess kann ein BEM daher erfolgreich sein.
Manchmal scheint es, als wollten alle Beteiligten das BEM vermeiden. Aber auch wenn es erst einmal eine gesetzliche Pflicht für Unternehmen bedeutet, so bietet es auch viel weiterführendes Potenzial. Diese Vorteile können aber nur generiert werden, wenn die beschriebenen Fehler vermieden werden, damit BEM nicht nur eine Pflicht, sondern auch eine Chance ist. Und: Nur ein gutes BEM ist auch ein rechtssicheres BEM!

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