FACHWISSEN BEM
– BETRIEBLICHES EINGLIEDERUNGSMANAGEMENT
Wenn die Prozesse des BEM – Betriebliches Eingliederungsmanagements – gut geplant und die Einführung gut begleitet wird, kann BEM für das Unternehmen seinen ganzen Mehrwert entfalten.





FRAGEN ZUM BEM
Seit dem es BEM – Betriebliches Eingliederungsmanagement – gibt berate ich rund um das Thema. In den zahlreichen Beratungen, Seminare und Vorträge zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement – BEM sind meinem Team und mir immer wieder ähnliche Fragen gestellt worden. Hier finden Sie eine Zusammenstellung der häufigsten Fragen und den dazugehörigen Antworten als Leitfaden für Ihr BEM. Selbstverständlich können und sollen diese Informationen keine Rechtsberatung ersetzen.
Ist BEM – Betriebliches Eingliederungsmanagement – ein juristisches Problem?
Wenn BEM – Betriebliches Eingliederungsmanagement – zum juristischen Problem wird, ist es im Vorfeld nicht richtig umgesetzt. Der juristische Rahmen des BEM ist sehr weit gefasst. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sieht das BEM als ein nicht formalisiertes Verfahren an, das den Beteiligten jeden denkbaren Spielraum lässt (BAG, Urteil vom 10. 12. 2009 Az.: 2 AZR 198/09). Dieser Spielraum muss ernsthaft genutzt werden, um die Ziele des BEM (Arbeitsunfähigkeit überwinden, erneute Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen, Arbeitsplatz zu erhalten) zu erreichen.
Darf der Arbeitgeber nur zwei Fragen im BEM stellen?
Ja, nämlich „was hat die Arbeitsunfähigkeit mit dem Arbeitsplatz zu tun“ und „was kann der Arbeitgeber tun, damit sie wieder arbeiten kommen?“
Quatsch, stellen Sie viele Fragen und stellen Sie die richtigen! Nur so kann ein BEM – Betriebliches Eingliederungsmanagement – erfolgreich sein. Wenn ein BEM nur auf diese beiden Fragen reduziert würde, handelt es sich nicht um einen „regulierten verlaufs- und ergebnisoffenen Suchprozess, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll“ (BAG vom 10.12.2009 – 2 AZR 400/08). Auch darf man sich bei zwei Fragen nicht wundern, wenn das BEM im Unternehmen nicht läuft. BEM ist halt komplex. Für ein erfolgreiches BEM – nicht nur aus juristischer Sicht – braucht es definitiv mehr als zwei Fragen und eine kompetente Gesprächsführung. Gerade für die Situationsanalyse braucht es viele differenzierende Fragen. Allzu oft habe ich erlebt, dass wenn hier zu wenig Fragen gestellt werden oder auch zu schnell nach Lösungen gesucht wird, das BEM ohne Ergebnis beendet wird.
Wie viele Leute müssen an dem BEM teilnehmen?
Mindestens zwei: Der Arbeitnehmer und die Person, welche vom Arbeitgeber für die Durchführung des BEM – Betriebliches Eingliederungsmanagements – beauftragt wurde. Ob die Interessenvertretung daran teilnehmen muss, ist strittig. Da letztlich gilt, dass es ein „faires und sachorientiertes Gespräch“ sein muss, dessen Verlauf und Ergebnis sich nach „den Erfordernissen des jeweiligen Einzelfalles zu richten haben“ (BAG, U. v. 10. 12. 2009, 2 AZR 198/09), hängt es von dem Mitarbeiter ab, ob er den Betriebs-/Personalrat dabei haben will oder nicht: „der Mitarbeiter ist Herr des Verfahrens“. Um die Ziele des BEM zu erreichen ist ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten notwendig. Alle diesen zuwiderlaufenden Formalismen verhindern ein – auch im juristischen Sinne – ordnungsgemäßes BEM. Im Laufe des BEM-Prozesses ist es oft sinnvoll weitere Personen, wie z.B. den Betriebsarzt, den Vorgesetzten, die Fachkraft für Arbeitssicherheit punktuell hinzuzuziehen. Auch der Betriebsrat muss sicherstellen, dass der Arbeitgeber ein ordentliches BEM macht. Aber all diese Personen haben meist auch andere Dinge zu tun als bei jedem BEM die ganze Zeit dabei zu sein, was in der Regel auch nicht notwendig ist. Eine vertrauensvolle Atmosphäre im Gespräch herzustellen, welches ein zentraler Erfolgsfaktor ist, ist zu zweit leichter als wenn da weitere Personen anwesend sind.
Wie ist das mit der „Vertrauensperson“?
Seit Mai 2021 wird im SGB IX, § 167.2 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die BEM- Nehmerin bzw. der BEM-Nehmer eine Vertrauensperson mitbringen darf. Grundsätzlich gibt es hierfür keine Einschränkungen, solange sich diese Person als Vertrauensperson verhält und nicht gemäß einer anderen Rolle, z.B. als Rechtsanwalt. Dazu gibt es mehre Gerichtsurteile. Beispielsweise heißt es im Urteil des LAG Köln vom 23.01.2020 7 Sa 471/19 „Die Teilnahme externer Rechtsvertreter an den Gesprächen über ein betriebliches Eingliederungsmanagement erscheint auch nach deren Sinn und Zweck wenig hilfreich und eher kontraproduktiv.“ (44 b).
Auch wenn es nicht vorgeschrieben ist, ist es empfehlenswert, teilnehmende Vertrauenspersonen vor Beginn des Gesprächs auf die Ziele und insbesondere auf den besonderen Datenschutz im BEM hinzuweisen. Da nicht erwartet werden kann, dass sich die Vertrauensperson mit dem BEM auskennt, sollte diese darüber informiert werden, damit eventuelle Missverständnisse vermieden werden können.
Muss mehr als ein Gespräch geführt werden?
Der Gesetzgeber spricht eindeutig vom Eingliederungsmanagement. Management beschreibt kurzgefasst einen Prozess, der startend von einer Situationsanalyse Ziele formuliert, welche durch geplante Maßnahmen erreicht werden sollen, welche dann umgesetzt, kontrolliert und bewertet werden. Dafür ist meist mehr als nur einem Gespräch notwendig. In der Regel gilt: BEM ist ein Prozess und kein Ereignis – der Mitarbeiter hat mindestens sechs Wochen gebraucht, um ins BEM zu kommen, geben Sie ihm wenigstens ein bisschen Zeit, um wieder
rauszukommen. Ein BEM-Gesprächsleitfaden ist eine gute Hilfe!
Was darf ich im BEM fragen?
Grundsätzlich darf man alles fragen – solange es nicht gegen die guten Sitten verstößt. So dürfte man auch nach der Krankheit fragen – nur, was will man im BEM mit der Antwort machen? Zum einen sind die BEM-Beauftragten keine medizinischen Fachleute, welche etwas mit der Diagnose anfangen könnten, zum anderen geht es in BEM nicht um Krankheit, sondern um Arbeits(un)fähigkeit. Das ist ein entscheidender, leider oft übersehender, Unterschied. Die Arbeitsfähigkeit ist so definiert, dass der Mitarbeiter die ihm übertragenen Aufgaben und Pflichten erfüllen kann. Die Krankheit bzw. Gesundheit ist an dieser Stelle nur insofern relevant, dass dadurch die funktionellen Möglichkeiten (z.B. Laufen, Heben, Stehe, Sitzen, Denken) beeinflusst werden. Darüber hinaus bestimmen aber viele weitere Parameter die Arbeitsfähigkeit. Selbst wenn der Bem-Nehmer sagt „ich habe Rücken“, muss die nächste
Frage sein: „Wie beeinflusst das Ihre Arbeit?“
Muss ich wirklich alle Mitarbeitenden nach sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit einladen?
Ja! Der Gesetzgeber gibt da keine Einschränkungen nach Ursache oder Prognose oder betrieblichen Einflussmöglichkeiten vor. Auch wenn der Mitarbeiter noch arbeitsunfähig geschrieben ist, sollte der Arbeitgeber diesen einladen, nicht nur um dem Gesetz Genüge zu tun („Arbeitsunfähigkeit zu überwinden“), sondern auch um die Erfolgsaussichten zu verbessern. Aus der Forschung wissen wir, dass je dichter der Kontakt zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Krankheitsfall ist, desto wahrscheinlicher ist die berufliche Wiedereingliederung. Auch gibt es keinen Grund, Mitarbeiter mit bestimmten Diagnosen (z.B. einfachen Knochenbrüchen) vom BEM auszuschließen – es geht ja auch um zukünftige
Arbeitsunfähigkeit (Prävention).
Ist BEM gleichzusetzen mit einer stufenweisen Wiedereingliederung?
Die stufenweise Wiedereingliederung (Hamburger Modell) ist eine von vielen Möglichkeiten, welche im Rahmen eines BEM genutzt werden kann. Zentraler Punkt im BEM ist die Arbeitsfähigkeit, welche bestimmt ist durch die Möglichkeiten der Person und den Anforderungen der Arbeitsaufgabe sowie der damit verbundenen Rahmenbedingungen. Interventionen, um die Ziele des BEM erreichen zu können, müssen entsprechend an einem dieser beiden Punkte ansetzen. Gerade bei komplexen Problemstellungen ist es oft notwendig an mehreren Stellen anzusetzen – und einer dieser Stellen kann die stufenweise Wiedereingliederung sein. Diese erlaubt dem Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum seine Arbeitszeiten zu steigern. Dabei wird nicht nur die Arbeit wieder trainiert, sondern es können auch quasi experimentell auch andere Rahmenbedingungen wie Arbeitsorganisation, Aufgabenstellung, Arbeitsmittel usw. angepasst und erprobt werden. Idealerweise bekommt der Mitarbeiter während dieser Zeit wiederholt Rückmeldung zu seiner Arbeitsleistung. Die
Stufenweise Wiedereingliederung ist eine ärztliche Verordnung und der Mitarbeiter ist für
diese Zeit weiterhin formal arbeitsunfähig.
Sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu einem BEM verpflichtet?
Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet nach sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit seiner Initiativpflicht nachzukommen und dem Mitarbeiter ernsthaft zum einem BEM einzuladen (nicht vorzuladen!). Aber: Wo kein Kläger, da kein Richter. Kritisch wird das typischerweise erst, wenn der Arbeitgeber eine krankheitsbedingte Kündigung anstrebt. Der Mitarbeiter hat grundsätzlich ein Initiativrecht für das BEM, aber keine Teilnahmepflicht: Das BEM ist „mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person“ durchzuführen § 167 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch 9 (SGB IX). Ein richtig durchgeführtes BEM bietet aber meist nur Chancen
für den Mitarbeiter und wenig bis keine Risiken.
Ist BEM ein Kontroll-/ bzw. Disziplinierungsinstrument des Arbeitgebers?
Nein! Ein BEM, welches hierzu eingesetzt wird ist kein BEM! Die Ziele des BEM sind eindeutig in § 167 Abs.2 Satz 1 Sozialgesetzbuch 9 (SGB IX) definiert. BEM ist kein Führungsinstrument. Leistungsgewandelte, häufig kranke oder gar demotivierte Mitarbeiter zu führen ist eine wichtige und nicht immer leichte Aufgabe für Führungskräfte. Die Instrumente der Führungskräfte bei solchen Herausforderungen unterscheiden sich aber oft grundsätzlich von denen des BEM. Auch dabei brauchen die Führungskräfte Unterstützung!
Ist BEM nur eine leidige Pflicht des Arbeitgebers?
BEM ist eine Pflicht des Arbeitgebers, aber eine die ihm viel Potenzial bietet. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass Lösungen, welche in einem BEM für einen einzelnen Mitarbeiter erarbeitet wurden, sich so bewährt haben, dass diese später für weitere Arbeitsplätze sowohl zur Prävention als auch zur Produktivitätssteigerung genutzt wurden. Ein gutes BEM ist daher eng mit dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement verbunden.
Viele Arbeitgeber stehen eh vor der Herausforderung, erfahrene und kompetente Mitarbeiter zu halten, weil es entweder auf dem Arbeitsmarkt kaum (gute) Arbeitskräfte gibt oder sie sich
die Kosten für die Neueinstellung und Einarbeitung sparen wollen.
Wann ist ein BEM gescheitert?
Ob ein BEM als „gescheitert“ zu betrachten ist, ist eine subjektive Aussage. Zu diesem Urteil kann es kommen, wenn die Akteure am Ende des Prozesses zu dem Schluss kommen, dass es ihnen nicht gelungen ist, eventuelle Schwierigkeiten auszuräumen, um die Ziele des BEM zu erreichen. Damit dies nicht passiert, sollten sich die BEM-Beraterinnen und Berater gut schulen lassen!
Wenn ein BEM beendet wird, ohne dass konkrete Maßnahmen vereinbart wurden, dann kann festgehalten werden, dass es ohne Ergebnis bzw. ohne Maßnahmenvereinbarung beendet wurde – gescheitert ist es deswegen aber nicht.
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